Was ist eigentlich Lampenfieber?

 

Lampenfieber ist im Grunde eine Angstreaktion. Unser Körper reagiert auch heute noch auf Stresssituationen, mit den gleichen körperlichen Reaktionen wie schon in der Steinzeit.

Damals galt: wenn eine Gefahr naht, geht es ums Überleben! Der Steinzeit-Mensch hatte dann genau 3 Möglichkeiten: Kampf, Flucht oder Totstellen.

 

Der Körper schüttet bei Lampenfieber das Stresshormon Adrenalin aus, das auf der einen Seite hellwach, aufmerksam und handlungsfähig macht, in zu hoher Dosierung (bei zu großer Angst) aber auch zu Schockstarre und Angstlähmung führen kann.

Körperlich wirkt sich das aus in Form von z.B. zittrigen und kalten Händen, starkem Schwitzen, flachem Atem, Herzrasen oder Übelkeit. Von Musikern gefürchtet ist auch ein Blackout. Es gibt noch mehr Symptome, sie können gemeinsam auftreten, einzeln und in verschiedener Ausprägung. Das ist von Person zu Person unterschiedlich. Diese Symptome wiederum wirken sich unmittelbar auf unser Spiel aus: wir verlieren die Kontrolle (über Intonation, Klanggestaltung, Bogenführung…), wissen plötzlich nicht mehr, wie es weiter geht, spielen zu langsam oder zu schnell etc. Sobald wir körperliche Stress-Symptome wahrnehmen, setzt uns das zusätzlich unter Druck - wir fühlen uns hilflos und können mit dem Verstand nicht dagegen ankommen.

 

Lampenfieber ist dabei eine Angst, die in unserer Vorstellung entsteht. Es gibt keine reale Bedrohung! Unser Leben ist nicht in Gefahr!

Die Angst entsteht unter anderem, weil wir eine Bewertung fürchten. Und diese Bewertung können wir nicht wirklich beeinflussen. Wir können uns bestmöglich vorbereiten, können im Konzert alles geben - wie das beim Publikum ankommt, haben wir nicht in der Hand. Denn die Reaktion auf unseren Auftritt hat nur zum Teil mit uns und unserem Können zu tun, sie wird auch bestimmt von den Erwartungen, Erfahrungen und der Befindlichkeit der Zuhörenden!

 

 

Negatives Gedankenkarussel

 

In unserem Kopf haben wir dann oft Gedanken wie:

 

„Bin ich gut genug?“

„Was, wenn es dem Publikum nicht gefällt?“

„Bin ich wirklich gut genug vorbereitet?“

„Was, wenn ich (wieder) versage?“

„XY spielt das vielleicht besser.“

„Ich enttäusche meinen Lehrer, XY, wenn ich nicht perfekt abliefere.“

„Was, wenn die und die Stelle nicht klappt? Wenn ich unsauber spiele, falsche Töne…?“

 

Wichtiger wären hier Fragen wie:

 

„Was möchte ich durch meine Musik beim Publikum auslösen?“

„Was ist meine Aussage?“

„Was möchte ich mit meinem Auftritt erreichen?“

„Was ist für mich heute wichtig - z.B. mich wohlfühlen, Freude an der Musik haben, Gefühle und Stimmungen nach außen transportieren.“

„Wann fühle ich mich wohl und authentisch? Was kann ich tun, dass es bei diesem Konzert/ Auftritt so ist?“

 

Durch solche Fragen verschiebt sich der Fokus von der Angst und den äußeren Reaktionen auf uns selbst, zum ICH. Wir können dadurch wieder Verantwortung und Kontrolle übernehmen.

 

 

Wie hängt Lampenfieber mit Scham zusammen?

 

Neben der Bewertungs-Angst ist auch Scham ein Auslöser für Lampenfieber.

 

Ich bin mit Sätzen aufgewachsen wie:

 

Stell dich nicht so an! Das ist doch gar nicht so schlimm!

Sei nicht traurig. Sei nicht so wütend!

Reiß dich zusammen!

Pass dich an - benimm dich anständig (und unauffällig)!

 

Solche Sätze, die sich auch als Glaubenssätze manifestieren, bewirken, dass wir unsere Gefühle nicht zeigen, sie unterdrücken, verurteilen. Weil sie ja unerwünscht oder unpassend sein könnten. Wir versuchen dadurch oft, uns angepasst zu verhalten und bloß nicht aufzufallen.

Wenn wir auf der Bühne stehen ist allerdings das Gegenteil gefragt: nämlich Gefühle ausdrücken, sie für alle spürbar zu transportieren! Unsere Meinung in Form unserer individuellen Interpretation kundtun. Hier funktioniert anpassen und Zurückhaltung nicht - wenn wir musizieren, legen wir unser Innerstes in die Musik, zeigen uns mit allen Stärken und Schwächen, machen uns somit verletzbar.

 

Da wir es aufgrund unserer Erziehung nicht gewohnt sind, unsere Gefühle auszuleben oder auch nur zu benennen und zu akzeptieren, entsteht hier ein Gefühl der Scham.

Es ist also ein wichtiger Schritt, unsere Gefühle wahrzunehmen und zu akzeptieren, uns selbst so anzunehmen und zu akzeptieren, wie wir sind. Dadurch werden wir authentisch und unabhängiger vom Urteil anderer. Und haben damit auch weniger Angst, uns zu zeigen und auf der Bühne aufzutreten.

 

 

Methoden im Umgang mit Lampenfieber:

 

Wie gesagt hat die Ausschüttung des Stresshormons Adrenalin zunächst positiveaktivierende Auswirkungen: es macht uns hellwach und aktiv, schärft unsere Sinne.

Wie schaffe ich es jetzt, in diese aktivierende Form von Stress zu kommen, den sogenannten Eustress? Um das Lampenfieber als Kraftquelle für besondere Leistung zu nutzen?

Hier gibt es eine Vielzahl von Methoden, die je nach Bedarf und Ausprägung des Lampenfiebers genutzt werden können.

 

Da Lampenfieber eine Angst ist, die in unserer Vorstellung entsteht, können wir unsere Reaktionen auch mit Hilfe unserer Vorstellung beeinflussen!

Unser Gehirn lernt aus allem, was wir erleben. Dabei unterscheidet es nicht zwischen realen Situationen und einer sehr genauen Vorstellung von einer Situation.

Das nutzen wir bei der Visualisierung:

Wir stellen uns in diesem Fall eine Auftrittssituation vor, aktivieren dabei all unsere Sinne (Was siehst du? Was hörst du? Was fühlst du? Was riechst du? Was schmeckst du?), so dass wir die Situation wirklich körperlich und emotional spüren und erleben können. Statt uns nun immer wieder eine negative Auftrittssituation in Erinnerung zu rufen, mit Fragen und Sorgen wie „Was, wenn es wieder so läuft? Was, wenn ich wieder nicht weiter weiß? Was, wenn ich wieder versage?“, stellen wir uns vor, wie es idealerweise ablaufen soll. Wir sehen uns selbst, wie wir ankommen, auspacken, uns einspielen. Wie wir dann auf der Bühne stehen - fühlen die Atmosphäre im Raum, hören was wir spielen, empfinden die Freude an der Musik mit, stellen uns die erwartungsfrohe Haltung der Zuhörenden vor, genießen das Gefühl nach dem gelungenen Auftritt …

Diese Vision speichert das Gehirn dann als Lernerfahrung ab, die uns in Zukunft zur Verfügung steht und Handlungsoptionen verschafft!

 

 

Das ideomotorische Training sichert unsere Bewegungsabläufe ab:

 

Ein Großteil unserer Vorbereitung besteht aus motorischem Üben am Instrument, was auch notwendig ist. Mit ideomotorischem Training steht uns eine weitere Übemöglichkeit zur Verfügung, die eine großartige Ergänzung ist und auch die Zeit am Instrument verkürzen und so körperlichen Beschwerden vorbeugen kann.

Wie geht das jetzt genau: Wir üben ein Stück nur in unserer Vorstellung, ohne Instrument! Dabei gehen wir in kleinen Abschnitten vor und versuchen, alle Parameter ganz bewusst wahrzunehmen: Wie atme ich vor Beginn des Stückes ein? Wie fühlt sich der Einsatz an? Wie klingt der erste Ton? Wo genau setze ich den Bogen an und wie fühlt sich das an? Welche Bewegung führt zu welcher Änderung im Klang? Welche Klangfarbe möchte ich an dieser Stelle und wie erreiche ist sie? Vieles nehmen wir beim Spiel gar nicht so genau wahr, weil das meiste automatisiert abläuft.

Durch das ideomotorische Training wird der Notentext und unsere Interpretation über andere Wahrnehmungskanäle zusätzlich verankert. Dadurch haben wir in einer Stress-/Lampenfiebersituation, falls ein Wahrnehmungskanal eingeschränkt sein sollte, über die anderen immer noch Zugriff auf das Gelernte! Das verschafft maximale Sicherheit - womit die Angst schwindet.

 

Eine weitere Methode, die uns in den optimalen Zustand versetzen kann, ist das Ankern. Dies ist eine Technik aus dem NLP (dem Neurolinguistischen Programmieren).

Verkürzt beschrieben: Wir stellen uns den gewünschten Gemütszustands mit allen Sinnen (sehen, hören, fühlen, riechen, schmecken) vor und verankern ihn durch Berühren einer bestimmten Körperstelle. Wenn gut geankert ist, lässt sich dieses Gefühl/der Zustand durch das Berühren der gleichen Stelle immer wieder abrufen. Das braucht ein wenig Übung und ein paar Wiederholungen, aber das sind wir Musiker*innen gewohnt ;)

In einer Lampenfiebersituation kann ich dann meinen Ankerpunkt berühren - und spüre sofort die verankerten Gefühle. Das kann Gelassenheit, Mut, Entspannung etc. sein, je nachdem, was du in der Situation brauchst.

All diese Strategien sind natürlich auch für eine gute Konzert-und Prüfungsvorbereitung für Musiker*innen hilfreich, die nicht unter Lampenfieber leiden. Sie verleihen größere Sicherheit, können körperlichen Beschwerden durch zu große Belastung vorbeugen und schulen unsere Wahrnehmung.

Leidest du unter Lampenfieber?

Bist du neugierig und möchtest gerne mehr dazu erfahren?

Dann melde dich gerne zu einem unverbindlichen Erstgespräch!

 

Herzliche Grüße,

Eure Stella